Schaltkulisse beim Fiat Ducato 290 reparieren

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Vor etwa 2 Monaten habe ich völlig spontan bei Ebay ein Wohnmobil ersteigert. Macht man auch nicht alle Tage, aber irgendwie war mein Gebot, dass sich etwa bei der Hälfte des Wertes befand, das höchste. In erster Linie habe ich mich natürlich gefreut, immerhin habe ich die begehrte Version mit 95 PS Turbodiesel und Servolenkung geschossen. Der Kaufvertrag war bindend, also wurde das Teil geholt und erstmal auf Herz und Nieren überprüft. Die Kupplung war durch, also ab in die Werkstatt, so etwas ist mir zu kompliziert. Als das WoMo zurückkam, war die Schaltung immer noch so wabbelig, dass der Schalthebel im Leerlauf ziemlich müde in der Gegend herumhing. Kommentar vom Mechaniker: „Das liegt am Gestänge und den ganzen Gelenken. Das rentiert sich nicht, muss man mit leben!“ Will ich aber nicht, also mal recheriert und gesehen, dass es zwar viele Halbwahrheiten, aber kein Tutorial zur Reparatur der Schaltkulisse bzw. des Schaltgestänges bei Ducato 290 gibt. Das ist mit den heutigen Tag vorbei!

Entfernung des Reserverades

Zuerst öffnet man die Motorhaube und entfernt das Reserverad mit einer 22er Nuss. Nun ist die Sicht auf die Schaltkulisse schon mal frei.

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Beim ersten Blick wurde mir schon klar, dass da ganz schön lange keiner mehr dran war. Möglichweise auch noch nie.

Entfernung des Luftfiltergehäuses

Als zweiten Schritt entfernt man das Luftfiltergehäuse. Dazu schraubt man die Schlauchschellen am Zu- und Abluftrohr ab und zieht diese kräftig vom Gehäuse ab. Nun öffnet man die große Schelle um den Topf und drückt sie nach unten weg. Den Luftschlauch zwischen Filter und Motor sollte man ebenfalls entfernen, leider muss man dafür aber unters Auto um die Schlauchschelle zu erreichen.

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Nun liegt die Schaltkulisse so frei, dass man halbwegs bequem dran arbeiten kann.

Demontieren der Schaltkulisse

Jetzt entfernt man an dem Metallteil, dass die Schaltung umgibt, die drei Schrauben unten und die beiden Muttern oben. Die roten Pfeile markieren die Position der sichtbaren Schrauben. Hinten befindet sich jeweils noch eine Schraube unten und eine Mutter oben. Auf dem Bild habe ich die rechte Schraube und die linke Mutter des Schaltgelenkes bereits demontiert, deswegen hängt das so.

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Somit kann man dieses Teil etwas zur Seite drücken und kommt besser an die Köpfe der Schrauben, die die beiden Gelenke der Schaltkulisse halten.

Bei diesen werden nun die Muttern abgeschraubt, die Schrauben herausgezogen und mitsamt aller Beilagscheiben und der Steckrollen zum Putzen beiseite gelegt. Reihenfolge des Zusammenbaus merken!

Nun kann man die eigentliche Schaltkulisse entnehmen und gleich mal untersuchen.

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Ich habe festgestellt, dass von den Gummis, die die beiden Metallkugeln lagern sollen, der eine verschwunden war und der andere gebrochen und steinhart. Kein Wunder, dass das Ding schaltet wie ein Teigrührgerät.

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Jetzt sollte man natürlich alles penibel reinigen. Bei mir half da WD40 und für den gröbsten Schmodder Bremsenreiniger und ein Baumwolltuch.

Jetzt wird es spannend. Bei diesem Teil der Arbeit bin ich halb verzweifelt.

Einpressen der Gummilager

Zuerst benötigt man Ersatzteile. Die Gummilager kosten so gut wie nichts. Ganz wichtig: Die richtigen Teile haben die Teilenummer OE 4259848. Dafür musste ich lange suchen. Es passen definitiv nur diese Puffer. Ich habe mir noch einen kompletten Reparatursatz für die komplette Schalteinheit, der die gleiche Teilenummer hat, bestellt, dieser passt aber nicht! Also bitte NUR die Gummis bestellen. Die, die ich gefunden habe, kosten pro Stück ein paar Cent. Dafür halt von Shop zu Shop unterschiedlich etwa 6 Euro Versand. Also habe ich mal zehn Stück bestellt. Auch wenn ich nur zwei brauche, habe ich mir acht Fehlversuche genehmigt:-)

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Vier Fehlversuche gab es auf jeden Fall.

Wie man sehen kann, sind die Lager auf der geschlossenen Seite stärker angefast. Daher bin ich davon ausgegangen, dass sie in diese Richtung eingepresst werden müssen. Aber trotz Schraubstock und Spülmittel zum Flutschen habe ich nur die Gummis abgeschert. Auch ein Bolzen, den ich in das Loch des Gummis gesteckt habe, hat nichts geholfen, der drückte sich unten wieder hinaus und hat den ganzen Gummi zerstört.

Die Idee kam von unserem Schulwart, der selbst Oldtimer restariert. Ich soll die Gummis mit dem Loch voran einpressen und „Installateurflutschi“, also Neo-Fermit benutzen.

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Voila, somit ging es tatsächlich. Danke Gerry! Ich empfehle zusätzlich, darauf zu achten, dass die Gummis wirklich gerade sitzen und die Dinger dann mit dem Schraubstock „hineinzupumpen“. Also immer vor und zurück.

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Um die beiden Metallnippel einzupressen, muss man zwei Hölzer hinter die Gummis stecken und dann gefühlvoll aber selbstbewusst eindrücken.

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Einbau der Schaltkulisse

Die Hauptarbeit ist nun getan und es geht an die ganzen Rollen, Schrauben und Beilagscheiben. Diese sollten ordentlich gereinigt und gefettet (Dauerschmierfett) werden und werden dann im Motorraum wieder zusammengesetzt. Im Motorraum daher, da man ja die Schaltstange und den Bolzen, der zur Kupplung geht, ja wieder befestigen muss.

Blöd ist übrigens, dass ich leider nirgendwo Ersatzteile für den Kleinkram finden konnte. Besonders diese Plastikscheiben über den Beilagscheiben hätte ich gerne ersetzt. Diese gibt es aber offensichtlich nicht als Nachbau. Zumindest behauptet mein Autoteilehänder das. Also wurden sie gereinigt und wieder mit eingebaut. Ist das erledigt, kann man das Metallgehäuse, das die Schaltkulisse umgibt, wieder befestigen. Natürlich mit neuen Sprengringen und Beilagscheiben versehen.

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Nun geht es an den Einbau des Luftfilters und der Schläuche. Den Luftfilter habe ich bei der Gelegenheit gleich erneuert. Meiner lag preislich bei 18 Euro und der Wechsel war definitiv nötig. Leider habe ich keine Teilenummer, ich bin mit dem alten Filter als Muster in den Teileladen gegangen.

Wechsel des Luftfilters

Für den Austausch muss man am Luftfiltergehäuse nur die drei Klammern lösen und alles auseinanderziehen. Mutter lösen, Teile trennen, Filter wechseln, zusammenbauen.

Montage Luftfiltergehäuse und Ersatzrad

Nun wird das Luftfiltergehäuse wieder an seinen Platz gebracht, die Schläuche aufgesteckt und mit den Schlauchschellen verzurrt. Nun schließt man die große Schelle und schnallt alles wieder am Auto fest. Das Ersatzrad wird hineingewuchtet und mit der Schraube und der Kappe befestigt.

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Der erste Test verlief erfolgreich, das WoMo schaltet nun trotz seines Alters von 29 Jahren wie ein Neufahrzeug. Genial. Morgen gibts gleich einen kleinen Ausflug.

Lohnt sich die Reparatur?

In jedem Fall! Die Teile sind zwar absolut billig, die Arbeitszeit des Mechanikers könnte aber problematisch werden. Abgesehen davon: Wer sowas fährt, braucht Ahnung von der Materie. Sonst bleibt man wahrscheinlich andauern liegen. Also sollte man sich so viel wie möglich damit auseinandersetzen.

24 Kommentare

  1. Ute Reichert

    Hallo, wir haben auch das Problem mit der Schaltkulisse. Der 4.Gang ist eingerastet. Unsere Frage ist nun, wo genau wir die Ersatzteile herbekommen. Dafür brauchen wir einen Tipp.
    Herzlichen Gruß

  2. Ute Reichert

    Hallo, wir sind fasziniert von der informativen Beschreibung zur Vorgehensweise. Wir haben es genau so gemacht wie beschrieben bis auf eine Sache: wir haben die oberen beiden Schrauben (Bild 5 – mit dem oberen roten Pfeil) nicht gelöst. Es haben uns die drei unteren gereicht, da sich so die Halteplatte/Haltewinkel/Aufhängung so drehen ließ, dass die Bolzenschraube für das „Scharnier“ der Schaltkulisse (im Bild 5 etwa in der Verlängerung des mittleren roten Pfeils) sich nach hinten herausziehen ließ.
    Alles andere haben wir genau wie beschrieben gemacht.
    Ganz herzlichen Dank für diese Art von Beschreibung/Hilfe!!

    • Kraftymats

      Hallo! Freut mich sehr wenn ich helfen konnte:-)

  3. Jürgen Beiler

    Hi, ich habe einen Peugeot J5, Bj. 1991. Habe die Reparatur mit deiner Beschreibung ganz toll lösen können. Vor allem hat mir der Hinweis, das man das Außenblech einfach wegdrehen soll, ungemein geholfen. Der Rest ging dann ganz alleine. Nochmals vielen Dank für die Beschreibung.

    • Kraftymats

      Servus Jürgen, danke für deinen netten Kommentar. Schön dass ich dir helfen konnte!

  4. Hinrich

    Super Anleitung, hat bei mir genauso geklappt! Auch die Gumminupsis haben genau gepasst. Vielen Dank !

    • Gino

      Moin Zusammen,

      hab es auch hin bekommen.

      Vorher flog der 5.Gang immer raus, weil der Schalthebel im 5Gang ja aufliegt und dirch die Vibrationen flog er dann gerne mal raus. Aber was mir aufgefalle. Ist. Wenn man den Schalthebel zum 5. und R Gang drückt entsteht eine Hebelwirkung welche die Gummibuchse zum Getriebe hin ganz schön strapaziert/dehnt.

      Ist das bei eich auch so?

  5. Thomas Walinski

    Hallo Kraftymats,
    vielen dank für die tolle Beschreibung! Hat bei meinem Peugeot J5 auch genauso geklappt. Mir ist die Schaltkulisse auf der Autobahn auseinandergefallen (natürlich in einer einspurigen Baustelle). Hatte Glück dass eine Baustellenausfahrt war.
    Die Nuppis habe ich nicht mit dem Schraubstock eingepresst, sondern von Hand (nein ich bin nicht Arnold :)). Dazu habe ich die Gummilager schräg (30 bis 45° Winkel) angesetzt und während ich mit dem Daumen Druck auf das ende gebracht habe, habe ich mit einem kleinen Schraubenzieher den überstehenden Rand vorsichtig reingedrückt. Hat ganz ohne Spüli und flutschi funktioniert.
    Weiter so!

    • Kraftymats

      Freut mich, dass es auch ohne Schraubstock und Flutschi funktioniert hat. Super Tipp, danke!

  6. Winfried Schäfer

    Hallo, ich hatte zwar schon im Mai 2022 die Schaltkulisse defekt, und überlegt eine Werkstatt auf zu suchen, nach dem ich dann diese tolle Erklären über die Reparatur gefunden hatte, habe ich mir 4 Buchsen bestellt und mich an die Reparatur gemacht. Das Tablett und Werkzeug neben das Fahrzeug gelegt und angefangen alles aus zu bauen wie beschrieben. Die 4 Buchsen mit zum Schraubstock genommen und zwei davon langsam in die Halterung mit Schraubstock rein gedrückt. Da ich mich an die Anweisungen gehalten habe, habe ich nur 2 Buchsen benötigt. Die anderen beiden Buchsen habe ich einem Bekannten gegeben. Vielen Dank für die super Erklärung.

    • Kraftymats

      Dankeschön!

  7. Bert564

    So, bei unserem Hymer B564 von 91 war es nun auch so weit.

    Ich kann mich den anderen Kommentatoren nur anschließen, das lösen der drei unteren Schrauben hat gereicht. Auch das einsetzen der Buchsen geht im Zweifel ohne Schraubstock, wobei man schon gut Kraft aufwenden muss.

    Vielen Dank für die super Anleitung, es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht!

    • Kraftymats

      Danke für den Kommentar. Freut mich, wenn meine Anregungen ausreichen, das ganze dann noch zu optimieren.

      • Bert564

        „ausreichen“ ist viel zu bescheiden, alleine die exakte Teilenummer ist Gold wert, geschweige denn der super dokumentierte Arbeitsweg! Hast du noch andere Ecken an eurem Wohnmobil gefunden, an denen man mit dem Austausch von Verschleißteilen ein besseres Fahrgefühl herstellen kann?

        • Kraftymats

          Servus Bert, danke für die Blumen:-) Ich kann dir definitiv den Austausch der Motorlager empfehlen, falls das noch nie passiert ist. Das hat bei relativ geringem Aufwand ebenfalls ein deutlich besseres Fahrgefühl erzeugt: https://www.kraftymats.de/motorlager-beim-fiat-ducato-290-wechseln/ Ansonsten empfehle ich dir noch, mal ein Motorreinigungsadditiv zu verwenden. Das habe ich letztens mal probiert und ich bilde mir ein, dass sich die Performance ein wenig verbessert hat:-)

  8. Ingold Koch

    Das ist eine Beschreibung ich habe genau so das gemacht wie beschrieben und es klappt super
    habe die Gummis bei autodoc bestellt 0,58 Cent

    • Kraftymats

      Servus Ingold! Danke dir, freut mich, dass es geklappt hat! Interessant, wie sich der Preis für die Gummis immer wieder verändert. Wenn man die Teilenummer bei amazon eingibt, gibts genau ein Angebot, bei dem ein Gummi 8,90 € kostet…

  9. Steffan Brandenburg

    Erst einmal vielen Dank für die sehr gute Beschreibung. Auch bei mir wa es der Fall das sich beide Gummilager des Schaltgestänges verabschiedet hatten. Nach 31 Jahren haben sie aber auch das Recht dazu. Der Ausbau gestalltete sich, dank Beschreibung, ziemlich einfach. Habe dann über Motordock neue Gummis bestellt. Diese waren nach nur 2 Tagen da. Das einbauen der beiden Gummis hat sich am Ende als ziemlich einfach erwiesen. Habe den Gummi einfach nur schräge angesetzt und dann vorsichtig mit einem Schitzschraubendreher hinein gedrückt. Achtung! Nehmt einen Schraubendreher der schon etwar abgenutzt ist. Also keine scharfe Kanten besitzt. Arbeitet gefühlvoll, dann geht es sehr leicht. Als Gleitmittel habe ich nur WD 40 genommen.

    • Kraftymats

      Servus Steffan, danke für den Tipp! Geht doch nix darüber, von den Erfahrungen anderer zu profitieren:-)

  10. Denise

    Würden die auch bei Fiat Ducato 1,9 saugdiesel passen? Und mein Abgaskrümmer ist gerissen , was kann man da tuen ? Es gibts keinen mehr !

    • Kraftymats

      Hi Denise! Normalerweise (bzw. nach meinen Infos) ist das bei beiden Fahrzeugen gleich. Wegen dem Abgaskrümmer: Da müsste man jetzt zum einen wissen, wo genau er gerissen ist und zum anderen, wie groß der Riss ist. Grundsätzlich gibt es da Produkte wie Gun Gum (damit umwickelt man quasi die Rohre) oder Rohrverbinder, die man einfach über die beiden gerissenen Enden schiebt und mit Dichtpaste drunter festzieht. Wird bei dem Teil wahrscheinlich beides keine Lösung sein, wenn er gerissen ist, ist er sicherlich zu stark korrodiert.
      Im Ducatoforum gibts da nen Thread dazu: https://www.ducatoforum.de/forum2018/forum/index.php?thread/135790-kr%C3%BCmmer-f%C3%BCr-den-1-9-d/&pageNo=1
      Oder kontaktiere die Schrauberzentrale in Rendsburg!

    • Norbert Heidemann

      Hallo Denise,
      habe noch einen alten 290er 1,9 Saugdiesel komplett eingebaut da.

      Fahrzeug steht in Raum 31535

      Evtl. könnte ich mit Teilen helfen!

  11. Jason

    Hallo
    Danke für deinen tollen Bericht. Ich habe Die Tüllen mit der Heißluftpistole erwärmt ,eine Mutter und im Schraubstock eingeklemmt. Ohne Problem

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